Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshof hat sich in einer Grundsatzentscheidung am 28.01.2015 mit der Frage, ob Kinder einen Anspruch über die Identität des anonymen Samenspenders haben befasst und einen solchen Anspruch grundsätzlich bejaht.
Grundsätzlich geht das Recht eines Kindes, Auskunft über die Identität seines biologischen Vaters zu erhalten, dem Interesse des Spenders auf Wahrung seiner Anonymität vor. Dieses Recht auf Aufklärung seiner Identität und Herkunft ist ein unabdingbarer Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Sinne des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, das nach Auffassung des Senats zur Identitätsfindung eines Kindes von grundlegender Bedeutung sei. Bei der Begründung stützt sich der Senat auch auf das Urteil des BVerfG, wonach das allgemeine Persönlichkeitsrecht Schutz vor der Vorenthaltung erlangbarer Informationen über die eigene Abstammung gewähre (BVerfG, Urteil v. 31.01.1989).
Der Anspruch auf Auskunft der durch künstliche Befruchtung gezeugten Kinder ergibt sich aus den Grundsätzen von Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB, da die Kinder in den Schutzbereich des Behandlungsvertrages zwischen den Eltern und der Klinik mit einbezogen werden.
Sofern die Eltern des Kindes den Anspruch, als gesetzliche Vertreter geltend machen, muss ein Bedürfnis des Kindes für die benötigte Information bestehen. Die Eltern müssen dem entsprechend die Auskunft zum Zweck der Information des Kindes begehren.
Dabei wird weder für den Auskunftsanspruch noch für die Geltendmachung ein bestimmtes Mindestalter vorausgesetzt.
In einer Einzelfallbezogenen und umfassenden Abwägung werden die einzelnen Rechte des Kindes, der rechtlichen Eltern, der Reproduktionsklinik sowie des anonymen Samenspenders gegenüber gestellt. Der weiteren wird überprüft, ob die Auskunftserteilung dem Auskunftspflichtigen nicht zumutbar ist, wobei in der Regel das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung ein höheres Gewicht zukommen wird.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt führen Klagen auf Auskunftserteilung über die Identität des anonymen Samenspenders jedoch nur selten zum Erfolg, da die entsprechenden Unterlagen nicht mehr vorhanden sind. Seit Januar 2007 sind die Reproduktionskliniken jedoch verpflichtet die Behandlungsunterlagen für einen Zeitraum von 30 Jahren aufzubewahren, so dass sich die Erfolgsaussichten zumindest ab diesem Zeitpunkt steigern.
Der Samenspender muss daher unter Umständen mit der Geltendmachung von Unterhalts und Erbschaftsansprüchen rechnen.
(Az XII ZR 201/13, Urteil vom 28.01.2014)